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Zugang zu Abhilfe und Wiedergutmachung

Kommt es zu Verletzungen der Menschenrechte durch Unternehmen, so stehen die Staaten in der Pflicht, für eine zugängliche Abhilfe und wirksame Wiedergutmachung zu sorgen, sofern solche Verletzungen in ihrem Hoheitsgebiet und/oder unter ihrer Jurisdiktion vorkommen. Diesem Grundprinzip widmet sich die dritte Säule der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und präzisiert damit die staatliche Pflicht, die Menschenrechte zu schützen, und die Verantwortung der Unternehmen, die Menschenrechte zu achten. Staaten müssen sicherstellen, dass die Opfer von Menschenrechtsverletzungen Zugang zu staatlichen und, wo nötig, nicht-staatlichen Beschwerdemechanismen und Wiedergutmachung haben. Wiedergutmachung kann laut den VN-Leitprinzipien beispielsweise eine Folgenbeseitigung, ein finanzieller oder nicht-finanzieller Schadensersatz und Strafe sowie Schadensverhütung etwa durch einstweilige Verfügungen und Nichtwiederholungsgarantien sein.

Gerichtliche Beschwerdemechanismen – Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als feste Basis

Wer sich durch Handlungen eines Unternehmens im Inland in seinen Rechten verletzt sieht, kann Ansprüche vor den deutschen Zivilgerichten geltend machen. Auch wer sich durch Handlungen eines deutschen Unternehmens im Ausland in seinen Rechten verletzt sieht, kann in Deutschland klagen und zwar grundsätzlich am Sitz des Unternehmens. Das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht enthält auch weitere Regeln, wonach bei bestimmten Rechtsverletzungen im Ausland, die einen hinreichenden Inlandsbezug aufweisen, die deutschen Gerichte angerufen werden können (z.B. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO).

Das deutsche Zivilprozessrecht enthält Mechanismen, die den Zugang zu den deutschen Zivilgerichten erleichtern. So besteht für bedürftige Betroffene die Möglichkeit, sich der Prozesskostenhilfe zu bedienen. Diese übernimmt nach einer Prüfung der Bedürftigkeit des Antragstellers und der Erfolgsaussichten der Klage die Gerichtskosten und die Kosten des eigenen Rechtsanwalts – je nach dem Grad der Bedürftigkeit – ganz oder teilweise. Prozesskostenhilfe für ein deutsches Verfahren erhält auch, wer nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Auch können alle im europäischen Wirtschaftsraum ansässigen juristischen Personen (zum Beispiel Opferverbände) unter den Voraussetzungen der Zivilprozessordnung Prozesskostenhilfe erhalten. Die deutsche Zivilprozessordnung sieht mit der Streitgenossenschaft und der objektiven Klagehäufung auch Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes vor.

Betroffene von Menschenrechtsverletzungen können die vorhandenen Rechtsschutzmechanismen nur nutzen, wenn sie darüber hinreichend informiert sind. Die Bundesregierung hat zu diesem Zweck eine deutsch- und englischsprachige Informationsbroschüre "Menschenrechtsverletzungen im Verantwortungsbereich von Wirtschaftsunternehmen: Zugang zu Recht und Gerichten" erarbeitet, die potentiell Betroffenen einen verständlichen Überblick über ihre zivilprozessualen Rechtsschutzmöglichkeiten in Deutschland gibt.

Repressiv können Unternehmen zudem für strafrechtsrelevantes Verhalten von Leitungspersonen, worunter auch unternehmensbezogene Menschenrechtsverletzungen fallen können, über das Ordnungswidrigkeitenrecht direkt zur Verantwortung gezogen und mit Geldbußen von bis zu 10 Millionen Euro belegt werden. Höhere Geldbußen können verhängt werden, wenn zusätzlich der wirtschaftliche Vorteil der Tat abgeschöpft wird.

Die Bundesregierung hat ein Gesetz zur Einführung einer Hinterbliebenenentschädigung erlassen, das seit dem 22. Juli 2017 in Kraft ist. Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.

Mit Blick auf mögliche Menschenrechtsverletzungen entlang von globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten ist die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung in betroffenen Drittstaaten von großer Bedeutung, weil damit die Rahmenbedingungen für die Einführung wirksamer Abhilfemechanismen vor Ort geschaffen werden. Einen Teil dazu trägt die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Deutsche Stiftung für internationale Rechtliche Zusammenarbeit (IRZ) bei. Die IRZ berät ihre Partnerstaaten sowohl im Zivil- (Wirtschaftsprozess-) als auch im Strafprozessrecht sowie im Verwaltungsprozessrecht einschließlich der Schaffung von Verwaltungsgerichtsbarkeiten, ebenso wie im Vollstreckungsrecht. Dabei befasst sich die IRZ auf unterschiedlichen Ebenen auch mit den Fragen der Ausgestaltung einer effektiven Prozesskostenhilfe (legal aid), um einen Zugang zur Justiz zu gewährleisten. Auch alternative Streitbeilegungsmöglichkeiten wie Schiedsgerichtsbarkeit oder Mediation sind Themen der IRZ-Arbeit. Naturgemäß berät die IRZ nicht nur im Verfahrensrecht, sondern gerade auch im materiellen Recht: zu den unterschiedlichen Regelungsbereichen im Zivil- und Wirtschaftsrecht wie z.B. zu den Zivilgesetzbüchern, zum Schutz des geistigen Eigentums, zum Insolvenzrecht ebenso wie im Strafrecht und dergleichen mehr.

Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze als außergerichtlicher Beschwerdemechanismus

Die Bundesregierung hat die Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (NKS) neu aufgestellt und personell verstärkt. Die NKS ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) angesiedelt und hat die Aufgabe, über die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (OECD-Leitsätze) zu informieren, diese bekannter zu machen und deren Einhaltung zu fördern. Zudem trägt die NKS zur Lösung von Problemen bei, die sich bei der Umsetzung der OECD-Leitsätze ergeben. So fungiert die NKS als Beschwerdestelle bei potentieller Verletzung der OECD-Leitsätze,– z.B. wenn Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nicht ausreichend erfüllen. Die OECD-Leitsätze stützen sich in ihrer 2011 überarbeiteten Fassung mit Empfehlungen zur Achtung der Menschenrechte explizit auf die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Der Beschwerdemechanismus nach den OECD-Leitsätzen dient daher auch der Umsetzung der VN-Leitprinzipien.

Die NKS prüft die eingehenden Beschwerden. Liegen die Voraussetzungen für eine Annahme der Beschwerde vor, bietet sie den Konfliktparteien die Teilnahme an einer Mediation an. Die Entscheidung erfolgt jeweils in Abstimmung mit dem Interministeriellen Ausschuss (IMA) "OECD-Leitsätze". Im IMA sind neben dem BMWi, welches den Vorsitz innehat, das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Bundesministerium für Finanzen, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vertreten. Darüber hinaus wird die NKS durch einen Arbeitskreis beraten und unterstützt, welchem Vertreter von Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen und zusätzliche Teilnehmer mit bestimmter Expertise, wie auch das Deutsche Global Compact Netzwerk (DGCN), angehören.

Die konstruktive Teilnahme eines Unternehmens an Beschwerdeverfahren vor der NKS wird bei der Gewährung von Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung (Exportkredite, Investitionsgarantien, Ungebundene Finanzkredite) berücksichtigt. Die Bundesregierung behält sich vor, einzelne Unternehmen, die sich nicht mit entsprechenden Vorwürfen auseinandersetzen, von den genannten Instrumenten der Außenwirtschaftsförderung auszuschließen.

Für die Teilnahme von Unternehmen an Reisen der Leitung des BMWi kann die konstruktive Teilnahme an einem Beschwerdeverfahren vor der NKS ebenfalls berücksichtigt werden.Erläuterungen zum Beschwerdeverfahren, einschließlich Informationen zu abgeschlossenen Fällen und deren Bearbeitung, sind auf der Homepage der NKS öffentlich zugänglich.

Unternehmensinterne Beschwerdemechanismen

Bereits heute gibt es Unternehmen, die eigenen Beschäftigten und Externen die Möglichkeiten bieten, im Rahmen von unternehmensinternen und branchenbezogenen Beschwerdeverfahren auf mögliche oder tatsächliche Verstöße gegen Menschenrechte hinzuweisen. Die Bundesregierung macht gute Beispiele sichtbar und unterstützt die Einrichtung solcher Maßnahmen.

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