Grundvoraussetzung für die Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht ist, dass Unternehmen die weltweiten Auswirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten auf Menschen und Umwelt kennen. Angesichts der Komplexität und Dynamik internationaler Wertschöpfungsnetzwerke stellen sich jedoch einige praktische Herausforderungen für Lieferkettentransparenz und Rückverfolgbarkeit. Beim Teilen von Informationen entlang der Lieferkette bringen Wirtschaftsakteure auch kartellrechtliche oder wettbewerbliche Bedenken vor. In Staaten, die nur unzureichend Arbeits- und Sozialstandards umsetzen oder sogar selbst Menschenrechte systematisch verletzen, ist der Handlungsspielraum von Unternehmen stark eingeschränkt. Doch gerade in diesen politisch sensiblen Kontexten besteht die dringende Notwendigkeit, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen in der tieferen Lieferkette nachzugehen.
Am 27. Juni 2023 hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Kooperation mit dem Branchendialog Automobilindustrie zu einer Fachveranstaltung eingeladen, um Lieferkettentransparenz in politisch sensiblen Kontexten sektorenübergreifend zu diskutieren. Über hundert Teilnehmende aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Politik kamen im Umweltforum in Berlin zusammen.
Im Fokus des branchenübergreifenden Austausches zwischen den verschiedenen Stakeholdern standen mögliche Lösungsansätze zur Herstellung von Transparenz entlang der Lieferkette, die einen wichtigen Baustein für die Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten darstellt.
Hier sind die Ergebnisse und Erkenntnisse der branchenübergreifenden Fachveranstaltung zu Lieferkettentransparenz in politisch sensiblen Kontexten abrufbar.
Ergebnisdokumentation
Im Rahmen der moderierten Gesprächsrunden und Workshops wurden verschiedene Methoden wie "Identity Preservation", "Segregation", "Mass Balance" und "Book and Claim" vorgestellt sowie deren Vor- und Nachteile bewertet.
Vertreter*innen von Sektoreninitiativen präsentierten bestehende Ansätze zur Herstellung der Rückverfolgbarkeit wie DIASCA (Digital Integration of Agricultural Supply Chains Alliance) und INATrace der Initiative für Nachhaltige Agrarlieferketten sowie den Open Supply Hub des Bündnisses für nachhaltige Textilien. Das Bundeskartellamt zeigte anhand von Einzelbeispielen den Möglichkeitsraum für unternehmensübergreifendes Nachhaltigkeitsengagement auf.
Ein weiteres zentrales Thema der Veranstaltung war die Frage, inwieweit der Grundsatz "Befähigung vor Rückzug" in politisch sensiblen Kontexten umgesetzt werden kann: Welche Möglichkeiten des Engagements haben Akteure vor Ort und mit welchen Herausforderungen werden sie dabei konfrontiert? Unter welchen Umständen ist ein Rückzug geboten und wie kann dieser verantwortungsvoll umgesetzt werden?
Die Expert*innen empfahlen kollektive Ansätze von Unternehmen mit der lokalen Zivilgesellschaft und den nationalen Auslandsvertretungen. Die Erkenntnisse der Veranstaltung wird der Branchendialog Automobilindustrie in seine interne Arbeit aufnehmen.
Impressionen der Veranstaltung
Veranstaltungsort: Umweltforum in Berlin.
Moderation Lissa Bettzieche, Deutsches Institut für Menschenrechte und Marco Göllrich, Initiative Metalle Pro.
Ferdinand Wieland, thyssenkrupp Automotive / Responsible Supply Chain Initiative und Tatjana Mühlbach, BUNTSCHEK.
Teilnehmer*innen der Fachveranstaltung.
Workshop „Befähigung vor Rückzug – Möglichkeiten und Herausforderungen in politisch sensiblen Kontexten“.
Der Branchendialog Automobilindustrie findet seit 2020 unter Steuerung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und unter Beteiligung von Automobilherstellern, Zulieferunternehmen, Wirtschaftsverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften, dem Deutschen Institut für Menschenrechte, sowie weiterer Initiativen statt. Anfang 2023 ist ein zweiter Branchendialog mit der Energiewirtschaft gestartet. Ziel der Dialoge ist es, Unternehmen in Branchen mit besonderen menschenrechtlichen Herausforderungen dabei zu unterstützen, die Anforderungen zu Sorgfaltspflichten in Liefer- und Wertschöpfungsketten umzusetzen und dadurch einen Beitrag zur Verbesserung der globalen Menschenrechtslage zu leisten.