Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte unterstützt Unternehmen im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) dabei, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltsprozesse umzusetzen. Durchgeführt wird der Helpdesk von der DEG -Tochtergesellschaft DEG Impulse. Dr. Jessica de Wolff, Leiterin des Helpdesk, erklärt, wie Unternehmen in einem zunehmend regulierten Umfeld nachhaltig handeln können.
Regulatorische Anforderungen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte nehmen stetig zu. Viele Unternehmen stehen daher vor der Herausforderung, Sorgfalts- und Berichtspflichten in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Ob es sich um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die EU-Lieferkettenrichtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die EU Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) oder die EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) handelt – die Frage nach der richtigen und frühzeitigen Umsetzung ist allgegenwärtig. Der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte unterstützt hier kompetent. Mit einem multidisziplinären Team aus Jurist*innen, Politikwissenschaftler*innen, sowie Betriebs- und Volkswirt*innen steht der Helpdesk Unternehmen jeder Größe und Branche zur Seite. Durch vertrauliche, kostenlose und individuelle Beratungsleistungen, Schulungen und innovative Online-Tools unterstützt der Helpdesk dabei, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltsprozesse Schritt für Schritt umzusetzen. Im Interview spricht Dr. Jessica de Wolff darüber, wie der Helpdesk Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltigeren Wertschöpfungsketten begleitet.
BMAS: Was raten Sie Unternehmen ganz allgemein, die noch am Anfang stehen und sich erstmals mit den Sorgfaltspflichten auseinandersetzen?
Dr. Jessica de Wolff: Das Wichtigste ist, dass die Verantwortlichen erst mal tief durchatmen und sich vergegenwärtigen, dass ihre Unternehmen in der Regel nicht bei null anfangen: Oftmals existieren schon eine Reihe von entsprechenden Maßnahmen, wie ein Lieferantenmanagement, eine gut etablierte Qualitätssicherung oder Schulungen zur Arbeitssicherheit für die eigene Belegschaft. Nach einer solchen gründlichen Bestandsaufnahme sollten die vorhandenen Maßnahmen systematisch analysiert, an neue Auflagen angepasst und ergänzt werden. So können Sorgfaltsprozesse schrittweise in den Geschäftsablauf integriert werden, etwa durch die Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien im Einkauf. Auch Unternehmen, die nicht direkt unter das LkSG fallen, sollten aktiv werden, da steigende Erwartungen von Mitarbeitenden, Kund*innen und Investor*innen sowie Anforderungen als Zulieferer größerer Unternehmen sie betreffen können. Dabei gilt es sich immer vor Augen zu führen: Der Gesetzgeber erwartet nicht, dass alles von heute auf morgen umgesetzt wird. Bei der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt handelt es sich um eine Bemühenspflicht und damit um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
BMAS: Kann sich jedes Unternehmen an den Helpdesk wenden?
Dr. Jessica de Wolff: Ja, absolut. Als Unterstützungsangebot der Bundesregierung beraten wir jedes Unternehmen – unabhängig von Größe und Branche – zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt. Das Brot-und-Butter-Geschäft unserer Expert*innen ist es, gezielt auf die individuellen Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen: Was haben sie schon? Was fehlt ihnen noch? Wie weit sind sie schon? Unsere Angebote sind kostenfrei, individuell und vertraulich. Wir wollen insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dazu ermutigen, mit ihren Fragen auf uns zuzukommen. Damit sie das Wissen an ihre Mitgliedsunternehmen weitergeben können, schulen wir oft auch Verbände zum Thema Sorgfaltspflichten. Unternehmen können uns telefonisch oder per E-Mail erreichen.
- Telefon: +49 30 2130 8430-0
- E-Mail: kontakt@helpdeskwimr.de
Weitere Informationen finden Sie auf der Website.
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BMAS: Welche Anfragen erreichen Sie neben der LkSG-Umsetzung?
Dr. Jessica de Wolff: Die Anfragen variieren von Unternehmen zu Unternehmen. Häufig gestellte Fragen von Unternehmen sind zum Beispiel: Wie kann ich bei der Risikoanalyse priorisieren? Wie können Risiken über Tier-1 hinaus identifiziert werden? Wie kann ich Lieferanten zu Veränderungen bewegen? Wie setzen wir Beschwerdemechanismen wirksam um?
Neben dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erhält der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte auch vermehrt Fragen zu weiteren ineinandergreifenden rechtlichen Entwicklungen, wie der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR), aber auch zur Berichtspflicht gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese Vielfalt macht unsere Arbeit so spannend, denn nur mit individueller Beratung kann man gezielt auf die Bedarfe und Herausforderungen der Unternehmen eingehen.
BMAS: Sie sprachen bereits davon, dass sich auch kleine und mittlere Unternehmen an Sie wenden. Mit welchen Herausforderungen kommen KMU typischerweise auf Sie zu? Wie unterscheiden sich die Anfragen der KMU von den Anfragen anderer (großer) Unternehmen?
Dr. Jessica de Wolff: KMU stellen uns häufig Anfragen. Sie wollen entweder aus ethischen Gründen nachhaltig wirtschaften, den Erwartungen von Geschäftspartner*innen und Mitarbeitenden gerecht werden oder als Zulieferer die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) erfüllen. KMU fragen oft, wie sie Sorgfaltsprozesse freiwillig umsetzen, mit steigenden Kundenanforderungen umgehen und relevante Informationen von Lieferanten beschaffen können. Große Unternehmen bauen Risikomanagementsysteme auf, um menschenrechts- und umweltbezogene Risiken sowie Verletzungen zu erkennen und zu beheben. Sie benötigen dabei oft Unterstützung von ihren Zulieferern bei Risikoanalysen, Präventionsmaßnahmen und Beschwerdeverfahren. KMU sind nicht direkt verpflichtet und müssen keine Sanktionen fürchten. Dennoch fordern große Unternehmen häufig umfangreiche Informationen von ihren Zulieferern, was ein gutes Verständnis der Lieferkette erfordert. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) haben wir passend dazu eine Handreichung zur "Zusammenarbeit in der Lieferkette" verfasst. Grundsätzlich raten wir Unternehmen, dialogorientiert vorzugehen und faire Modelle der Kostenteilung zu vereinbaren. Um Geschäftsgeheimnisse zu schützen, sollten Zulieferer prüfen, welche Informationen sie weitergeben können.
Fachwissen und Leidenschaft: Ein multidisziplinäres Team
BMAS: Welche unterschiedlichen Kompetenzen bringen Ihre Expertinnen und Experten mit?
Dr. Jessica de Wolff: Unser Team ist multidisziplinär, mit Erfahrungen aus verschiedenen Branchen, aufgestellt. Aufgrund der EU-Richtlinie über unternehmerische Nachhaltigkeitspflichten (CSDDD), die Umweltaspekte stärker einbezieht, haben wir in diesem Jahr einen Biologen eingestellt, der sich um die Themen Umwelt und Biodiversität kümmert. Wir bilden uns intern weiter und reagieren auf neue gesetzliche Entwicklungen. Die Stärke unseres Teams liegt nicht nur in seiner fachlichen Expertise, sondern auch in seinem hohen Engagement und der Leidenschaft für das Thema. Diese Kombination aus Fachwissen und Motivation ermöglicht es uns, Unternehmen kompetent und zielgerichtet zu unterstützen.
BMAS: Wie genau geben Sie Ihr Know-how weiter? Auf welche Formate greifen Sie für den Wissenstransfer zurück?
Dr. Jessica de Wolff: Neben unserer kostenfreien Beratung, versuchen wir vor allem unser Wissen und unsere Erfahrungen zu skalieren und für alle zugänglich zu machen. Wir haben unser Angebot demnach um Workshops, die auch unternehmensintern stattfinden können, und ein maßgeschneidertes Schulungskonzept ergänzt. Daneben bieten wir Online-Seminare, Veranstaltungen und Online-Tools.
Die Online-Tools des Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte
- CSR Risiko-Check: Der CSR-Risiko-Check unterstützt Unternehmen bei der Einschätzung der lokalen Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungskette. Die Nutzung ist kostenfrei.
Zum CSR-Risiko-Check - Sorgfalts-Kompass: Der Sorgfalts-Kompass navigiert Unternehmen Schritt für Schritt durch die fünf Phasen des Sorgfaltsprozesses basierend auf den VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die Nutzung ist kostenfrei.
Zum Sorgfalts-Kompass - Standards-Kompass: Der Standards-Kompass hilft bei der Beantwortung der Frage: Wie können Nachhaltigkeitsstandards, Zertifikate und Mitgliedsinitiativen Unternehmen dabei unterstützen, ihren menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten gerecht zu werden? Die Nutzung ist kostenfrei.
Zum Standards-Kompass - Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte: Der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte bündelt wichtige Informationen und zahlreiche Fallstudien zu konkreten Menschenrechts- und Umweltthemen, wie Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, existenzsichernde Löhne und faire Arbeitszeiten. Die Nutzung ist kostenfrei.
Zum Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte - eLearning: Dieser Online-Kurs hilft, die Relevanz von Menschenrechten im Unternehmenskontext zu verstehen und gibt Unternehmen erste Schritte, Instrumente und Ressourcen an die Hand, um mit der Umsetzung zu starten. Einen kostenfreien Zugangscode erhalten Sie per E-Mail: kontakt@helpdeskwimr.de
Sorgfaltspflichten aus CSDDD: "Die beste Vorbereitung auf die CSDDD ist das LkSG."
BMAS: Welche Anfragen erreichen den Helpdesk bezüglich der vor kurzem in Kraft getretenen EU-Lieferkettenrichtlinie? Was empfehlen Sie als Helpdesk im Rahmen der CSDDD-Vorbereitungsmaßnahmen für Unternehmen?
Dr. Jessica de Wolff: Unternehmen wollen z.B. wissen, was sich im Vergleich zum LkSG ändert, wie der Stand der Umsetzung ins nationale Recht ist, ob sich die Berichtspflicht ändert, welche Unternehmen zukünftig unter die CSDDD fallen, oder wie tief die Sorgfaltspflichten in die Lieferkette greifen. Wir empfehlen Unternehmen, sich frühzeitig auf die neuen Anforderungen vorzubereiten: Bauen Sie auf den Strukturen auf, die bereits in Ihrem Unternehmen vorhanden sind. Die beste Vorbereitung auf die CSDDD ist das LkSG. Auch die VN-Leitprinzipien und die OECD-Leitsätze bilden eine gute Grundlage in Vorbereitung auf die CSDDD. Besonders KMU empfehlen wir: Setzen Sie sich frühzeitig mit den Anforderungen auseinander, gehen Sie in den Austausch mit den zukünftig verpflichteten EU-Unternehmen und prüfen Sie bereits jetzt, was Sie leisten können und welche potenziellen Risiken und Verletzungen in Ihrem Unternehmen besonders relevant sein könnten.
BMAS: Die CSDDD enthält neue Sorgfaltspflichten zum Umweltschutz. Wie erweitern Sie dahingehend ihr Beratungsangebot? Gibt es bereits konkrete Pläne, Ihre Beratungskapazitäten in diesem Bereich auszubauen? Wie lauten sie?
Dr. Jessica de Wolff: Wie eingangs erwähnt, haben wir in diesem Jahr bereits einen Umwelt-Experten in unser Team aufgenommen. Zusätzlich sensibilisieren wir im Auftrag der Bundesregierung durch Vorträge und Veranstaltungen für die Anforderungen der CSDDD. Ein Beispiel ist das Online-Seminar zur CSDDD, das wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) durchgeführt haben und an dem über 530 Personen teilgenommen haben. Außerdem haben wir kürzlich einen Blogbeitrag zu den Anforderungen der CSDDD veröffentlicht. Wir haben auch eine Veranstaltung zu den "Umweltbezogenen Sorgfaltspflichten nach dem LkSG" in Kooperation mit dem BMUV durchgeführt. Außerdem gab es dieses Jahr ein Online-Seminar zur "Biodiversität im Kontext unternehmerischer Sorgfalt", das von uns gemeinsam mit dem Projektteam der DIHK Service GmbH "Unternehmen Biologische Vielfalt" und der Unternehmensinitiative "Biodiversity in Good Company" organisiert wurde. Alle Aufzeichnungen zu den genannten Veranstaltungen sind in unserer Mediathek zu finden.
Wir danken Frau Dr. de Wolff und dem Team des Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte für das Gespräch und die spannenden Einblicke.