Unternehmerischer Nutzen: Schutz der Menschenrechte unterstützt Wertschöpfung
Die Frage, in welchen Ländern und unter welchen Arbeitsbedingungen deutsche Unternehmen produzieren oder einkaufen, rückt immer stärker in den Fokus der Stakeholder, seien es Investoren, Mitarbeiter, Geschäftspartner oder Kunden. Unternehmen, die die Achtung der Menschenrechte in ihr Handeln entlang der Lieferkette integrieren, übernehmen nicht nur gesellschaftliche Verantwortung – sie erzielen langfristig auch einen eigenen wirtschaftlichen Nutzen.
Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Risikominimierung. Denn eine gute Menschenrechtspraxis verringert etwa das Risiko von Produktionsausfällen oder Streiks ebenso wie das Risiko von Umweltbelastungen, Rechtsstreitigkeiten und alle damit zusammenhängenden Kosten. Menschenrechte zu achten bedeutet also gleichzeitig, die Reputation des eigenen Unternehmens zu schützen, Markenwerte und Marktanteile zu sichern und Kosten zu vermeiden. Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht kann Unternehmen auch helfen, neue Investitionen einzuwerben. Denn Investoren und andere Anleger beziehen in ihren Investitionsentscheidungen zunehmend ein, wie nachhaltig Unternehmen handeln. So haben beispielsweise über 500 institutionelle Anleger die von den Vereinten Nationen unterstützten "Prinzipien für verantwortungsbewusste Investments" ("Principles for Responsible Investment") unterzeichnet. Sie repräsentieren zusammen Anlagen mit einem Wert von über 20 Billionen US-Dollar, die sie in 36 Ländern verwalten. Und eine Studie der Boston Consulting Group und MIT Sloan Management Review aus dem Jahr 2016 zeigt: Für 75 Prozent der befragten Investoren ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Investitionskriterium. Nahezu die Hälfte der befragten Anleger würde nicht in Unternehmen mit unzureichenden Nachhaltigkeitsleistungen investieren. Investoren haben daher ein eigenes Interesse, die menschenrechtliche Sorgfalt von Unternehmen bewerten zu lassen. Die Corporate Human Rights Benchmark als weltweites Unternehmensranking im Bereich menschenrechtlicher Sorgfalt wurde beispielsweise von Investmentgesellschaften mit initiiert. Eine vergleichbare politische Stoßrichtung haben die Prinzipien zu verantwortlichen Investitionen in die Landwirtschaft und in die Nahrungsmittelsysteme (Principles for Responsible Investment in Agriculture and Food Systems, RAI-Principles), die 2014 im Committee for Food Security (CFS) verabschiedet worden sind. Sie haben zum Ziel, diese Investitionen dahingehend auszugestalten, dass sie der Bevölkerung in den Entwicklungs- und Schwellenländern zugutekommen und dadurch dem Menschenrecht auf Nahrung zur Geltung verholfen werden kann.
Auch Investoren wissen: Wenn es gelingt, bei Lieferanten Sozialstandards zu verbessern, erhöht sich deren wirtschaftliche Leistung, da Produktivität und Qualität steigen. Erfahrungsberichte von Unternehmen bestätigen dies: Bei einem Handelsunternehmen, das sich konsequent für sozial faire Arbeitsbedingungen einsetzt, zeigt sich das beispielsweise in einer effizienteren Auftragsabwicklung und dem spürbaren Rückgang von Reklamationen – also Faktoren, die zu Kosteneinsparungen führen. Und mehr noch: Risikominimierung kann auch Chancenmaximierung bedeuten. Denn transparente Lieferketten bieten die Chance für Prozessinnovation. Wer seine Lieferanten kennt und stabile Beziehungen zu ihnen aufbaut, kann gemeinsam Produktionsprozesse effizienter gestalten, dabei die Umwelt schützen und einen leichteren Zugang zu alternativen Rohstoffen oder neuen Lieferanten erhalten.
Integrierte Nachhaltigkeit stärkt Reputation
Was sich bei Investoren in konkreten Anlageentscheidungen niederschlägt, spielt auch zunehmend eine Rolle bei potentiellen Mitarbeitern und ihrer Entscheidung für einen Arbeitgeber. Gerade im Zuge des Fachkräftemangels und des "war for talents" müssen Unternehmen auch mit ihrer Nachhaltigkeitsleistung überzeugen. Eine Befragung des Marktforschungsinstituts Nielsen von 30.000 Konsumenten weltweit ergab, dass die Hälfte der Befragten im Alter von 21 bis 34 Jahren darauf achtet, wie nachhaltig ihr (zukünftiger) Arbeitgeber agiert.
Auch bei Kunden gewinnt Nachhaltigkeit laut verschiedener Umfragen zunehmend an Bedeutung. Die Ergebnisse des Edelman Trust Barometer 2016 zeigen, dass 80 Prozent der Befragten Unternehmen eher Vertrauen zukommen lassen, wenn sie neben der Erhöhung ihrer Umsätze gleichzeitig soziale und ökologische Bedingungen verbessern. Zudem kam eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Dr. Grieger & Cie. im April 2016 zu dem Ergebnis, dass nahezu 88 Prozent der Befragten bei der Beurteilung eines Unternehmens soziales Engagement wichtig finden. 76 Prozent der Studienteilnehmer geben zudem an, für ein identisches Produkt einen höheren Preis zu zahlen, wenn es von einem sozial engagierten Unternehmen hergestellt wurde.
Nicht zuletzt nimmt in Zeiten, in denen sich Nachrichten durch soziale Netzwerke rasant global verbreiten, Medien sich verstärkt dem Thema Unternehmensverantwortung widmen und Nichtregierungsorganisationen weltweit aktiv sind, der öffentliche Druck insgesamt stetig zu. Werden menschenrechtliche Missstände aufgedeckt, wie etwa Kinderarbeit oder mangelhafter Arbeitsschutz, kommt es zu einem immensen Reputationsverlust – und zwar bei allen Stakeholdern eines Unternehmens. Und dieser Schaden schlägt sich in Zahlen nieder und gefährdet die "licence to operate" und damit die Handlungsspielräume eines Unternehmens. Wer dagegen Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette durch gezielte Maßnahmen vermeidet, stärkt seine Reputation.